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Unerwünschte Entscheidung der Anleger: EU auf Verbraucher-Entmündigungs-Kurs

Wenn der Verbraucher sich nicht freiwillig so verhält, wie die EU-Kommission es wünscht, dann soll der Verbraucher mit einem wohl ideologisch motivierten Provisionsverbot ‚auf Spur gebracht‘ werden. Das ergibt sich aus dem uns vorliegenden Antwortschreiben der EU-Kommissarin Mairead McGuinness an Markus Ferber (CSU), Abgeordneter des Europäischen Parlaments (Fraktion der Europäischen Volkspartei).

Die Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion moniert – und führt das als Argument für ein Provisionsverbot auf –, die MiFID II habe trotz der damit verbundenen ursprünglichen Absicht nicht zu einer Verlagerung hin zu einer unabhängigen Beratung geführt, vielmehr sei der „anreizbasierte Vertrieb“ das wichtigste Modell für den Verkauf von Anlageprodukten für Kleinanleger geblieben.

Bürgerinnen und Bürger verhalten sich also anders, als die EU-Kommission dies mit MiFID II beabsichtigt hat: Der Verbraucher entscheidet sich für die provisionsbasierte Beratung und Vermittlung (in der Kommissions-Sprache: „anreizbasierter Vertrieb“), doch das gefällt der EU-Kommission nicht. Daher muss ein Provisionsverbot dafür sorgen, dass der Verbraucher zukünftig das Beratungsmodell wählt, das die EU-Kommission für richtig hält. Zumal dem Verbraucher Aufklärung und Transparenz nicht hilft, denn er ist aus McGuinness Sicht nicht intelligent genug, um zu verstehen, was Anreize sind und wie sich die Provisionen auf die Rendite auswirken.

Aus unserer Sicht hat diese Auffassung der EU-Kommission etwas mit Ideologie zu tun, nicht aber mit der Akzeptanz des Willens des mündigen Verbrauchers. Auch den Kostenaspekt Provision/Honorar scheint die EU-Kommissarin anders einzuordnen als er in der Realität ist. Sie scheint a) den Wert einer kundenindividuellen Beratung nicht zu erkennen oder erkennen zu wollen und b) bei ihren Berechnungen nicht zu berücksichtigen, dass die Beratung gegen Honorar auch Geld kostet.

Im Gespräch mit der ‚vt‘-Redaktion kritisiert MdEP Markus Ferber: „Wenn die Kommission ein Provisionsverbot vorschlägt, erweist sie den Kleinanlegern damit einen Bärendienst. Dann wird der Zugang zu guter Anlageberatung auf einen Schlag sehr viel teurer und unattraktiver. Das wäre sowohl ein schwerer Schlag für die private Altersvorsorge als auch für das Ziel einer Kapitalmarktunion.“

Laut McGuinness ist in den Ländern mit Provisionsverbot, Niederlande und UK, alles besser, sprich kostengünstigere Produkte und gute Beratung. Die Realität ist aber in wichtigen Aspekten, die gerne unter den Tisch gekehrt werden, eine andere: Im Vereinigten Königreich führte die Einführung des Provisionsverbots 2013 zu einer erheblichen Beratungslücke. Dies geht aus den sogenannten ‚Retail Investments Product Sales Data‘ hervor, einer statistischen Datenerhebung der britischen Aufsicht FCA. Darüber berichtet ‚vt‘ seit Jahren (vgl. zuletzt ,vt‘ 29/22):

Auch die Daten für 2021 zeigen weiterhin, dass die Beratungsquote in den meisten der neun Retail-Produktgruppen seit Einführung des Provisionsverbots sinkt bzw. teilweise drastisch zurückgeht. Aber auch für die große Mehrheit der Bevölkerung, die sich hohe direkte Zahlungen als Honorare nicht leisten können, hat die EU-Kommissarin einen höchst fragwürdigen Ratschlag: Robo Advice!

„Wenn die Kommission wirklich Robo Advice als Alternative zur provisionsbasierten Anlageberatung propagieren will, werden sich die Kleinanleger bedanken. Kleinanleger mit ihren individuellen Sorgen und Zielen undurchschaubaren Algorithmen auszuliefern, sorgt unterm Strich für einen deutlich schlechteren Verbraucherschutz“, setzt sich Ferber für qualifizierte und bezahlbare Beratung auf Provisionsbasis für Kleinanleger ein.

Es stellt sich ohnehin die Frage, warum die EU überhaupt EU-weit ein Provisionsverbot vorschreiben will. Die Märkte und Gesellschaften sind heterogen, und es ist nicht zu erkennen, was daran negativ sein soll. Jeder Mitgliedstaat kann, wenn er es für sein Land, seine Bürgerinnen und Bürger, für richtig hält, ein Provisionsverbot einführen.

Zumindest für Deutschland ist das abzulehnen. Die EU sollte Abstand nehmen von weiteren ideologischen Überregulierungen und nationale Gepflogenheiten respektieren. Es gibt keinen Grund dafür, dass die EU ein Provisionsverbot mit einer Verordnung EU-weit vorschreibt. Die EU darf, sollte und sie muss es u. E. nationalen Parlamenten überlassen, ob ein Provisionsverbot gut oder schädlich für deren Land ist!

‚vt‘-Fazit: EU-Kommissarin Mairead McGuinness spricht davon, man sei (noch) dabei, diverse Er­kenntnisse zu bewerten und die Auswirkungen der verschiedenen politischen Optionen zu analysieren. Offiziell entschieden ist noch nichts, die Äußerungen der Kommissarin lassen aber befürchten, dass sie selbst einem Provisionsverbot sehr zugeneigt ist.

Umso mehr gilt es, auf wichtige Aspekte der provisionsbasierten Beratung und Vermittlung und die mit dem Provisionsverbot in UK einhergehenden Nachteile für Verbraucher hinzuweisen. Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) setzen wir uns für die Belange der Versicherungsmakler und Verbraucher ein.

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